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Was ist Pucken?

Tipps zum guten Tragen

Ich werde nie vergessen, wie mir, Doro, eine liebe TV-Kollegin kurz nach der Geburt meines ersten Kindes eine freudige Antwort auf meine „Baby-ist-da-News“ schickte mit den Worten: „Stundenlanges Anstarren, oder?“ Yes! Genau das tat ich. Ich war so fasziniert.



Video-Anleitung zum richtigen Pucken von Doro & Kerstin


Neben der Gewissheit, dass ich nun Verantwortung für ein völlig hilfloses Wesen trage – und den Ängsten, die im Raum standen ("Hilfe, kann ich das wirklich? Oh, du bist nun wirklich Mutter! Kein Scherz mehr!"), war da vor allem eins: Faszination. Magie. Und das Gefühl, dass die Zeit langsamer ging. Ich habe mein Baby angeschaut. Gelächelt. Und immer wieder gedacht: Was für ein Wunder! Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf, z.B.: Wahnsinn, du hattest Sex und zehn Monate später liegt da ein neuer Mensch." Krass, was die Natur kann! Oder: Wie es wohl ist, plötzlich aus dem Bauch draussen zu sein? Das muss doch schon ein Schock sein…Und wie fühlt es sich überhaupt da drinnen an? Schade, dass ich mich da selbst nicht dran erinnern kann – bestimmt gemütlich. Gut, bis aufs Ende sicher, da war es verdammt eng. Aber: Vermisst mein Kind genau das? Die Enge? Diese Wärme? Die Geborgenheit? Und wie kann ich die ins Ausser-Bauch-Leben holen? Und genau an dieser Stelle sind wir auch schon beim Thema. Stichworte: Pucken und Tragen. Und deshalb übergebe ich nun für Infos und Tipps wieder an meine Freundin und Kollegin Kerstin. Sie ist Hebamme und hat in 22 Jahren nicht nur rund 4.000 Familien betreut – als 7fache Mutter hat sie sicherlich im Laufe der Jahre auch Furchen in den Fussboden gelaufen…

… oder, Kerstin? Du bist wahrscheinlich über Jahre nur am Tragen gewesen, oder?

Allerdings. Ich habe mich dabei manchmal wie ein Esel gefühlt. Denn ich hatte, aufgrund der geringen Altersabstände meiner Kinder, oft auch zwei davon an mir „kleben“. Eins auf dem Rücken und das Baby vorne auf der Brust. Mein Rücken hat heute noch etwas davon und so wirklich würde ich das über einen längeren Zeitraum auch niemandem empfehlen. Dennoch war es immer praktischer, ein Tuch zu benutzen. Den Kinderwagen habe ich ab Kind Nummer 6 schon gar nicht mehr angefasst. Ich habe mir morgens das Tuch umgebunden und es den ganzen Tag getragen und benutzt. Das war praktisch und ich konnte mich mit Baby immer schnell irgendwo hinbewegen, ohne den schweren Kinderwagen ins Auto zu wuchten.

Doro und Kerstin von MutterKutter

Doro und Kerstin, unsere Expertinnen von MutterKutter (© Anne Seliger)

Apropos Tragen: "Babys sind Traglinge", heisst es ja so schön. Was ist damit genau gemeint? Wie geht es Babys, wenn sie getragen werden? Und inwiefern stärkt das Tragen auch die Bindung zwischen Eltern und Babys?

Oh ja, Babys sind tatsächlich Traglinge. Ich gebe immer den Hinweis, kleine Affenbabys im Zoo zu beobachten. Da wird es nämlich ganz deutlich: Das Affenbaby hat einen sehr stark ausgeprägten Klammer-Reflex. Das hat ein Menschen-Baby übrigens in den ersten zwölf Lebenswochen auch. Dieser Reflex ist dafür da, dass sich das Äffchen am Fell der Mutter festhält und getragen werden kann. Uns fehlt zwar das Fell, dennoch sind sich da beide Gattungen sehr ähnlich, denn getragen werden alle Babys gerne. Was natürlich ein unschlagbarer Vorteil vom Tragen ist, ist der intensive Körperkontakt zu den Eltern. Wir alle wissen, dass das die Bindung stärkt. Die Kinder sind zudem viel temperaturstabiler, haben oft weniger mit Blähungen zu tun und sind einfach zufriedener. Übrigens: Verwöhnen kann man ein Baby durch das viele Tragen nicht. Es ist ein Grundbedürfnis unserer Kinder, viel liebkost und berührt zu werden und das hat nichts mit verwöhnen zu tun.

Wie ist das Tragen aus Hebammensicht? Und auch, dass sich die Eltern (wenn sie nicht alleinerziehend sind) abwechseln?

Ich bin persönlich ein grosser Fan davon, habe aber auch ein grosses Verständnis dafür, wenn es aufgrund starker Rückenprobleme nicht machbar ist. Ein anderer Faktor ist die Scheu vor dem langen Tuch. Die Eltern können sich das einfach nicht richtig vorstellen, wie diese 4,60m Stoff gewickelt werden sollen, ohne dass man wie eine Mumie aussieht. Mit dieser Tuchlänge können übrigens beide Eltern gut das Baby tragen, nur wenn der Partner oder die Partnerin an die 1,95m gross oder etwas schwerer gebaut sind, wird eine Tuchlänge von 5,40m benötigt. Das ist meiner Meinung nach auch ein riesiger Vorteil gegenüber der Babytrage, denn in diesem Fall müssen die Tragegurte immer wieder neu auf die zu tragende Person angepasst werden. Das entfällt komplett beim Tuch.

Ich, Doro, muss zugeben, dass ich die Tragetücher zwar total faszinierend fand, sie mir aber immer kompliziert vorkamen. Aber, hüstel: Ich bin nun nicht die handwerklich geschickteste und hatte immer das Gefühl, dass ich mir zehn Meter Knoten um die Hüfte binden muss, damit das Tuch am Ende auch das Baby hält. Vermutlich waren das einfach Vorurteile. Ich habe mich dann für eine Trage mit Neugeborenen-Einsatz entschieden.

Butter bei die Fische: Wie kompliziert ist es wirklich, das Tragetuch zu wickeln? Wie schnell lerne ich das und wer zeigt mir am besten, wie ich das Tragetuch binde?

Doro, ganz ehrlich: Dann hast Du das nicht richtig gezeigt bekommen! Denn es ist wirklich sehr einfach. In meinen Geburtsvorbereitungskursen sind meine Eltern immer begeistert, wenn sie von mir gezeigt bekommen, wie einfach und schnell alles gewickelt werden kann. Ich persönlich bin ein grosser Fan der Wickelkreuztrage. Das ist in zwei Minuten erledigt, das Baby sitzt unglaublich sicher und es ist ein hoher Trage-Komfort für die Eltern. Beachtet werden muss lediglich, dass die Babys relativ hoch, auf „Küsschen-Höhe“, gebunden werden. Das bedeutet, dass die Eltern dem Baby ohne Probleme einen Kuss auf den Kopf geben können. Dann stimmt die Höhe. Um diese zu erreichen, wird der erste Wickelschritt auf Höhe des Rippenbogens begonnen, damit passt meist der ganze Rest. Ausser, die Eltern haben einen sehr langen Rumpf. Dann muss oft über dem Rippenbogen angefangen werden. Ein weiterer Punkt ist die Anhock-Spreiz-Stellung der Beinchen vom Baby. Diese dürfen nicht einfach gerade runterhängen, sondern müssen, wie ein „Fröschlein“, hochgezogen sein. Was ich nicht gerne habe sind Babys, die im Winter nur dünne Strümpfe im Tragetuch anhaben. Darauf muss geachtet werden, dass die kleinen Füsse mit Lammfell-Schuhen oder dicken Wollsocken schön warmgehalten werden. Denn sonst ist der erste Schnupfen oft vorprogrammiert.

Woran erkenne ich gute Qualität? Oder andersrum: Was sollten sie definitiv „mitbringen“?

Ein gutes Tragetuch kostet bei einer Länge von 4,60m-5m und einer Breite von 50cm oft um die 30-50 Euro. Der Stoff sollte nicht zu weich sein, sondern sollte sich haptisch schon etwas „voller“ anfühlen. Ich empfehle gerne Tücher mit einem eingewebten Elastan-Faden in 100% kba-Bio-Baumwolle. Dieser Stoff fühlt sich wie ein hochwertiges T-Shirt an und ist unglaublich angenehm zu tragen. Durch den elastischen Stoff schmiegt sich das Tuch sehr gut dem Körper an. Leider kann durch den elastischen Faden das Tuch aber auch nur bis ungefähr 9 kg Körpergewicht des Kindes genutzt werden. Ab diesem Gewicht „leiert“ das Tuch oft aus und ist danach nicht mehr wirklich gut nutzbar. Gefördert wird ein Brechen der Fasern auch durch Weichspüler. Den sollte man also tunlichst vermeiden, wenn das Tuch gewaschen wird. Besser ist es, wenn Essig in das Weichspülfach gegeben wird. Das schont die Fasern und macht die Wäsche trotzdem weich.

Meine persönliche Bitte:

Das Baby im Tuch immer in Blickrichtung zum Körper der Eltern tragen, ansonsten ist es eine zu grosse Belastung für die Hüfte und Wirbelsäule, weil das Baby in einer unphysiologischen Haltung getragen wird. Abgesehen davon, ist auch die Belastung auf die männlichen Geschlechtsorgane zu hoch.

Ich habe ja eingangs erzählt, dass ich mich gefragt habe, wie es wohl ist, aus dem Bauch plötzlich „im echten“ Leben zu sein. Wie „krass“ ist das für die Neugeborenen denn wirklich? Wie sehr müssen sie erstmal ankommen?

Die Beschreibung „krass“ ist schon sehr zutreffend. Du musst Dir vorstellen, dass intra-uterin und extra-uterin, also innerhalb und ausserhalb der Gebärmutter, andere Druckverhältnisse herrschen. Das ist das Gefühl, wie wir es aus dem Flugzeug kennen, wenn die Maschine plötzlich um ein paar Meter nach unten sackt. In der Regel ist das für alle Beteiligten anstrengend und mit einem Schock-Moment verbunden. Dazu kommt beim Baby auch noch die Umstellung auf die eigene Atmung, da die Versorgung durch die Mutter plötzlich wegfällt. Wir können wirklich von einem kleinen Naturwunder sprechen, bei dem wir unser Baby unbedingt durch viel Liebe, Ansprache und Körperkontakt unterstützen müssen.


Gibt es so etwas, wie Gebärmuttersehnsucht?

In der Gebärmutter wird es natürlich in den letzten Wochen vor der Geburt immer enger und enger. Und natürlich ist es ein Schock, wenn das Baby nach der Geburt diese Enge nicht mehr spürt, sondern komplett nackt und ungeschützt auf die kühlere Wickelunterlage für die erste Vorsorgeuntersuchung nach der Geburt gelegt wird.

Übrigens ein Tipp von mir: Bitte das Baby nach der Geburt auf den nackten Bauch der Mutter legen und die U1 direkt auf dem Bauch der Mutter durchführen. Die Bedingung ist natürlich, dass es Mutter und Kind gut geht. Der Vorteil, gerade für das Baby, ist nicht von der Hand zu weisen. Denn den Herzschlag der Mutter zu hören und deren Wärme zu spüren, wirkt sich beruhigend auf das Neugeborene aus. Dadurch kann der Stress schon von Beginn an minimiert werden Einige Kliniken handhaben das mittlerweile so. Es lohnt sich also, danach zu fragen, ob dieser Wunsch erfüllt werden kann.

Und wie können wir sie unterstützen? Stichwort: Pucken! Was ist Pucken genau und inwiefern hilft es dem Säugling?

Unter Pucken versteht man das festere Einwickeln des Babys in ein Tuch, eine Decke oder ein spezielles Puck-Tuch. Es suggeriert dem Neugeborenen die Enge, die es im mütterlichen Bauch gespürt hat, was sehr unruhigen Babys helfen kann, zur Ruhe zu kommen. Babys, die enormen Stress unter der Geburt erfahren haben, sind besonders prädestiniert dafür. In der Regel handelt es sich dabei um Geburten, bei denen invasiv eingegriffen wurde. Das kann z.B. eine Saugglocken-Geburt oder ein ungeplanter, plötzlicher Kaiserschnitt gewesen sein, den die Mutter und das Kind völlig aus der Bahn geworfen haben. Natürlich darf man vom Pucken keine Wunder erwarten. Denn wenn das Baby fest eingewickelt wird und trotzdem um den kleinen Menschen Stress und Trubel herrschen, wird das alles nicht viel bringen. Das Gesamt-Konzept ist also wichtig: Eine Mutter, die sich ausruhen und ihr Wochenbett geniessen kann, eine Mutter, die unterstützt und in Ruhe gelassen wird und ein Baby, was viel Körperkontakt und Ruhe beim Stillen oder Füttern erfährt, sind wichtige Komponenten, damit es einen guten Start in einen neuen Lebensabschnitt gibt.

Wie pucke ich genau? Was muss ich beachten?

Es ist gar nicht so schwer, ein Baby zu pucken. Ich empfehle dazu immer ein quadratisches Tuch, was ebenfalls wieder einen Elastan-Faden eingewebt hat. Diese Tücher lassen sich bequemer wickeln. Es geht natürlich auch ohne den elastischen Faden sehr gut. Das Baby wird nun mit dem Köpfchen auf eine Tuch-Spitze gelegt. Die untere Spitze wird hochgeklappt und auf den Bauch des Babys gelegt. Dabei können die Ärmchen eingewickelt werden, müssen aber nicht. Für das Neugeborene ist es schöner, wenn es an seinen Fäustchen nuckeln kann, da es sich dadurch besser beruhigen kann. Danach werden die rechte und linke Tuchspitze eingeschlagen, bzw. um das Baby gewickelt, um dann festgesteckt zu werden. Das Baby sieht damit aus, als wäre es eine kleine Raupe im Kokon. Wenn man es etwas einfacher haben möchte, nimmt man ein Puck-Sack mit Klettverschluss. Die Beinchen sollten immer noch die Möglichkeit des freien Strampelns bekommen. Gerade bei Vorerkrankungen der Hüfte in der Familien-Anamnese sollte darauf geachtet werden. Übrigens mögen nicht alle Babys die Enge, deswegen bitte auch dies akzeptieren, wenn sich das Baby lauthals freistrampelt.

Ich finde es nicht verkehrt, wenn die Eltern die Hebamme darum bitten, dass ihnen das richtige Tragen und Pucken einmal erklärt wird. Natürlich kann auch die Hilfe einer Trage-Beraterin in Anspruch genommen werden, die die vielen Anwendungsbeispiele von Tragen und Tüchern mit den Eltern übt und bespricht, falls sich diese noch nicht ganz klar darüber sind, welche Variante die richtige für sie ist.


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