Franziska-Beatrice Fiedler, Influencerin und Still-Beraterin (© Anna Olivia Weimer)
Liebe Franziska, wie sehen Deine Ratschläge aus, wenn das liebevoll gekochte Gemüse verschmäht wird? Sollen wir unsere Kinder austricksen oder vertrauen wir darauf, dass sie sich schon das holen werden, was sie brauchen?
Die Frage finde ich super spannend, denn im Moment sehe ich in meiner Tätigkeit vermehrt Ansätze, um die so genannten "picky eaters" – also Kinder, die wählerisch beim Essen sind zu verändern, auszutricksen, zu beeinflussen und irgendwie dazu zu kriegen, Lebensmittel zu essen, die sie ablehnen. Ich frage mich schon seit einer geraumen Zeit, warum das eigentlich ein neuer Trend geworden ist.
Gehen wir mal davon aus, dass Kinder grundsätzlich kompetent genug sind, um sich bei einem adäquaten Angebot an Lebensmitteln gut zu ernähren. Und das schon ab Geburt! Ein reif und gesund geborenes Baby ist, wenn es auf die Welt kommt, dazu in der Lage, allein die Brust der Mutter zu finden, sie korrekt zu erfassen und daran zu saugen. Es kann also selbständig für seine Ernährung und damit für sein Überleben sorgen. Es trinkt im besten Fall, so oft und so lange es möchte, und hört auf zu trinken, wenn es satt ist. Soweit die Theorie. In der Praxis erhält bei weitem nicht jedes Neugeborene die Chance, so ins Leben zu starten, aber grundsätzlich können sie es. Denkt man nun ein paar Monate weiter – das Baby wurde jetzt einige Monate lang nach Bedarf gestillt und wird langsam reif für die Beikost – so darf man davon ausgehen, dass das Kind in seinem eigenen Tempo Lebensmittel kennenlernen möchte. Die Beikost hat in den ersten Monaten auch eben diese Funktion: Sie heisst BEI-Kost und nicht "Anstattkost". Milch bleibt noch eine Weile das Hauptnahrungsmittel, Lebensmittel werden anfangs zunächst mit allen Sinnen kennengelernt, das darf sein. Es darf gefühlt, getastet, gematscht werden, es landet etwas im Mund, die Konsistenz, Temperatur und Geschmack werden erkundet und vielleicht gelangt auch schon etwas in den Magen.
Mut, die Selbstständigkeit zuzulassen
Das Essen zu erlernen ist ein enormer Entwicklungsschritt für Kinder – und er braucht Zeit. Und: Kinder sind Menschen – das heisst, sie haben auch schon von Anfang an Vorlieben, Abneigungen, empfinden Ekel oder Appetit. Manche Lebensmittel essen auch wir Erwachsenen nicht gerne, manche riechen für uns schon ekelhaft, manche können wir in ihrer Konsistenz nicht ausstehen. Kindern darf man das gleiche zugestehen. Deswegen bin ich persönlich auch strikt dagegen, dass ein Kind ein Lebensmittel "nur mal probieren" muss. Nein, auch der Probierlöffel ist etwas, das man sich "einverleiben" muss, die Nahrung kommt in meinen Leib, und ich möchte darüber doch bitte selbst entscheiden.
Der Grundsatz ist also schon, dass man Kindern zugesteht, Lebensmittel abzulehnen. Nun möchte man aber ja als Eltern, dass das Kind sich gesund ernährt und gut gedeiht. Man bereitet, wie schon in der Frage genannt, Gemüse zu, und es wird verschmäht. Hier würde ich zunächst raten: Nicht persönlich nehmen! Vielleicht ist es die Optik, der Geruch, vielleicht kann das Kind noch nichts mit der Konsistenz anfangen. Geduldig und kreativ sein. Lebensmittel immer wieder anbieten, aber ohne Druck. Gemüse kann man auch hervorragend in Nudelsossen verarbeiten, in Suppen, in Risotto, in Bratlingen und und und. Haferflocken, Obst und gesunde Öle kann man in Smoothies oder Milchshakes unterbringen. Aus Kartoffeln bestehen beispielsweise Gnocchi und Pommes – und allein Pommes gibt es in so vielen Formen, da kann man sich durchprobieren. Nudeln gibt es inzwischen aus Linsen, Kichererbsen und Co. – auch so kann man gute Inhaltsstoffe ins Kind bringen. Ich würde das nicht als "austricksen" bezeichnen, denn man bereitet da einfach verschiedene Rezepte zu.
Austricksen? Nein! Motivieren? Ja!
Manche Kinder mögen übrigens einfach am liebsten kalte Speisen, hier kann man aus einem gesunden Milchshake ein Stieleis selbst herstellen – perfektes Frühstück!
Think outside the box und vertraue deinem Kind, dass es sich aus einem guten Angebot an Nahrung das nimmt, was es benötigt. Und Phasen, in denen ein Kind nur die berühmten Nudeln mit Butter essen möchte, sind in gewissen Grenzen schon auch normal.
Ab wann wäre für dich ein Punkt erreicht, wo du sagst, dass man eine fachliche Beratung bräuchte? Gibt es diesen Punkt überhaupt oder interpretieren wir als Erwachsene viel zu viel in das Thema „Essen“ hinein? Müssen wir nicht vielleicht akzeptieren, dass sich jeder Mensch individuell entwickelt und wir es mal mit guten und mal mit schlechten „Essern“ zu tun haben?
Hier hake ich gleich mal ins Wording "gute und schlechte Esser" ein. Wer bewertet das denn eigentlich? Und wieso ist "gut" immer gleichgestellt mit "viel"? Ein Kind, das kleinere Portionen zu sich nimmt oder langsamer isst als andere, ist nicht automatisch ein "schlechter" Esser. Solche Bewertungen machen was mit uns, sie bringen Druck sowohl aufs Kind als auch auf die Bezugspersonen, die sich dann immer zuständig fühlen, etwas zu verändern. Dabei muss man gar nicht an jedem Kind etwas ändern, das einfach nur langsam mit der Beikost startet oder neuen Lebensmitteln skeptisch gegenübersteht.
Eine Grenze ist dann erreicht, wenn das Kind nicht gut gedeiht, schlapp oder blass wirkt oder wenn die Ernährung über eine gewisse Zeitspanne hinweg doch sehr einseitig ist. Dann wäre ein Blutbild sinnvoll, um Mängel auszuschliessen. Ein Eisenmangel kann nämlich beispielsweise auch Appetitlosigkeit auslösen, was dann natürlich einen kleinen Teufelskreis ergibt.
Lieben Dank dir für deine ehrlichen und starken Worte, liebe Franziska! Übrigens setzt sich Franziska nicht nur auf Instagram für eine bindungsorientierte Elternschaft ein. Gemeinsam mit zwei Kolleginnen hat sie das BFB Institut für bindungsorientierte Familienbegleitung gegründet. Sie bilden seit diesem Jahr auch Familienbegleiterinnen aus.