Liebe Doro, leise oder laute Diskussionen am Morgen über vorhandene oder nicht vorhandene Kleidungsstücke kennen wir beide mit insgesamt neun Kindern nur allzu gut. Ich habe immer gedacht, dass das mal aufhört, wenn die Kinder grösser werden, aber da gibt es doch immer wieder eine andere Form des täglichen Schauspiels, was für alle Beteiligten (klein und gross) einfach nur eins ist, nämlich: mega anstrengend! Ich denke so in Richtung: „Melodrama“ mit Pubertierenden, die ihre Lieblings-Jeans schon im Wäschetrockner wähnten, während Du (Doro) vielleicht gerade noch in der Tragödie um die nicht aufzufindende Lieblingsstrumpfhose die Rolle der Regie-Assistentin einnimmst. Fakt ist: Wir beide haben als Mütter oft Plätze in der ersten Reihe gewonnen und sind damit immer „hautnah“ an den Protagonist*innen in der Kinderzimmer-Kulisse involviert.
Wir beide haben für die Kleider-Problematik unserer Nachkommenschaft Lösungswege konzipiert, die uns vor elterlich verzweifelten Tränen oder hysterischen „Es ist schon 7.40 Uhr, du kommst zu spät in die Schule“-Wut-Anfällen bewahren. Denn der Spruch „Morgens Zirkus, abends Theater“ – der stösst uns schon irgendwie auf. Das klingt so, als ob unsere Kinder in einem dauerhaften Zustand des übertriebenen Rollenspiels wären. Quasi immer over the top. Ein bisschen zu viel. Als ob sie absichtlich eine Vorstellung „abliefern“ würden. So nach dem Motto: So sind eben die Kinder. Stempel drauf. Klappe zu. Aber was ist hinter den Kulissen wirklich los? Die Frage stellen wir uns als Mütter – denn oft haben doch Tränen wegen Kleidungsstücken einen Ursprung. Wir sind der Meinung: Wenn wir solche Situationen beleuchten und verstehen, dann finden wir einen gemeinsamen Weg mit unseren Kindern! Und wir haben die Erfahrung gemacht: Es geht für alle Seiten glücklich, zufrieden und ohne laute Worte.
Doro, erzähl doch mal bitte, wie es uns gelungen ist, dass die Nerven nicht blank liegen und wie wir stressfrei in den Tag starten können.
Ganz kurz: Ich bin leider auch noch nicht Mama Buddha. Es gibt bei mir auch immer mal wieder Vormittage, an denen ich mir wünsche, noch entspannter zu sein. Mir hilft generell der Gedanke: „Das Familienleben ist nicht planbar. Jeder Tag ist eine Wundertüte.“ Es kommen kleine und grosse Menschen zusammen, viele Gefühle und eben verschiedene Sichten auf das Thema „Zeit“. Während wir Grossen oft auf die Tube drücken, weil wir das TICK TACK im Nacken sitzen haben, eben die Kita, die Schule, der Job oder andere To-Dos „rufen“, brauchen ja gerade die Kleinen und Kleinsten Zeit, also Raum, um zu spielen. Zeit ist für sie LEBEN, für uns Eltern im Alltag oft ja eher ÜBERLEBEN. Da prallen zwei Welten aufeinander.
Raus aus dem Stress – rein in die Routine!
Im ersten Schritt hat mir diese Erkenntnis sehr geholfen. Auch, dass Kinder uns nicht „ärgern“ wollen oder das „extra“ machen. Sie brauchen einfach ihre Zeit. Auch wenn ihr Bedürfnis vielleicht mit unserem Bedürfnis kollidiert. Was hat das nun mit Klamotten bzw. dem Thema Anziehen zu tun? Kinder spüren unseren Druck. Selbst wenn wir versuchen, ihn wegzulächeln. Je mehr Druck ich mache – so meine Erfahrung – desto mehr habe ich danach das Gefühl, dass ich gegen die Uhr arbeite. Für alle doof! Denn so kam ich unter Stress. Mir hat wiederum eine Art morgendlicher Rahmen geholfen, in dem wir uns bewegen: Ein Ablauf, der immer gleich ist. Aufstehen, Frühstücken, Anziehen, Zähneputzen. Wenn es noch früh genug ist: 20 Minuten Spielzeit. Meine Kinder wissen, wie es läuft. Klamotten haben sie sich schon immer selbst rausgesucht, tatsächlich seitdem sie Kleinkinder sind. Dazu sind in der „Ich mag keine Jeans“-Phase immer zwei bis drei Leggings zur Auswahl da. Kleidungsstücke, die „kratzen“, „jucken“, „eklig“ oder „doof“ sind, haben wir verschenkt. Und oft legen wir gemeinsam schon abends Kleidung für den nächsten Tag raus. Das hilft meiner Erfahrung nach auch!